Treffen der Landes-, Bezirks- und Ortsvorstände vom 9. bis 10. September 2017 in Darmstadt

Um über die deutsch-baltische Zukunft nachzudenken, hatten sich Anfang des Jahres in Lüneburg die Vorstände von Carl-Schirren- und Deutsch-Baltischer Gesellschaft getroffen. Nun war die Einladung an die Bezirks- und Ortsvorstände der nächste Schritt, um sich über Bilanzen, Aufgaben und Konzepte der Deutsch-Baltischen Gesellschaft klar zu werden: Welche Inhalte und Themen sind maßgeblich und attraktiv für Interessenten aus der mittleren und jüngeren Generation, welche Überlegungen gibt es bei der Vernetzung deutsch-baltischer Orga-nisationen, welche Projekte in den baltischen Ländern können unterstützt werden.
Der Einladung ins Haus der Deutsch-Balten folgte etwa die Hälfte der über 50 Eingeladenen, eine, wie sich zeigte, angemessene Gruppengröße, um die anliegenden Fragen sachlich zu erörtern.


Zahlen standen dann am Beginn des Treffens, der Schwund der Mitgliederzahlen insbesondere. Erinnert wurde an die Hochzeiten in den 50er Jahren, als die damalige Landsmannschaft bis zu 21.000 Mitgliedern zählte und über 1.000 Menschen zu den Bundesdelegiertenversammlungen kamen. Nach 65 Jahren ist das Interesse am „Deutschbaltentum“ heute allerdings numerisch fast inexistent, kaum fünf Prozent sind noch in den Landesverbänden organisiert.
Aber auch andere baltische Organisationen wie die Ritterschaften oder die Carl-Schirren-Gesellschaft haben mit sinkenden Zahlen zu kämpfen. Weniger die Genealogische Gesellschaft, und bei der Baltischen Historischen Kommission und DOMUS RIGENSIS ist sogar eine positive Entwicklung zu verzeichnen. Es scheint, dort, wo konkrete Vorstellungen, Aufgaben oder auch „Events“ den Inhalt einer Organisation bestimmen, ist das Interesse da.
So gesehen besteht für alarmierende Klagen kein Grund, gilt doch in etwa immer noch das, was im Jubiläumsjahr 2000 geschrieben wurde: „Die DBLiB verfügt über ein weitverzweigtes Netz von Wissensträgern, Ansprechpartnern und ehrenamtlichen Mitarbeitern. Sie hat eine perfekt funktionierende Geschäftsstelle, ein eigenes Haus, eine befreundete Patenstadt und ein wohlwollendes Patenland. Jeder, der Lust hat, sich baltisch zu betätigen, findet bei der DBLiB eine ausbaufähige Plattform. Ja, was will man denn noch mehr? Die Antwort ist einfach: mehr Mitglieder!“
Selbstverständlich war der Mitgliederschwund nach der Aufbruchseuphorie der frü-hen 90er Jahre nicht unbemerkt geblieben und so fanden ab 1999 „Aktiventreffen“ statt. Sie wurden abgelöst von der „Zukunftswerkstatt“ und „Netzwerktreffen“, deren Forderungen sich immer weiter von konkreten Maßnahmen entfernten. Nur wenige erkannten, dass ein Spagat nicht möglich ist zwischen dem Anspruch, gleichzeitig „Heimatersatz“ zu sein, die kulturelle Identität der deutschbaltischen Volksgruppe zu erhalten, die Integration in der Bundesrepublik zu unterstützen und eine „Brücke“ zu bilden zu den baltischen Ländern.
Soweit die Rückschau. Am Beispiel NRW zeigte anschließend Friedger v. Auer per PowerPoint eine engagierte Bilanz der aktuellen Aktivitäten der Deutsch-Baltischen Landsmannschaft. Verlesen wurde zudem ein instruktives Resümee der Veranstal-tungen und Zukunftsperspektiven der Regionalgruppe Hannover, verfasst vom dorti-gen Vorsitzenden Heiner Koch.
Um den Teilnehmern einen anschaulichen Eindruck ihrer Patenstadt zu vermitteln, stand dann nach dem Mittagessen eine Fahrt mit der historischen Straßenbahn „Datterich-Express“ durch Darmstadt auf dem Programm, zur der auch die Darmstädter Mitglieder und Bekannte eingeladen waren.
Als Anregung für Ortsgruppentreffen wurden am Abend und am nächsten Vormittag dann zwei neuerschienene Publikationen vorgestellt, die als Anthologien zur gemein-samen Lektüre geeignet sind: So präsentierte der INFOBALT-Vorsitzende Albert Caspari aus Bremen das von ihm herausgegebene Buch „Riga erlesen“, eine Sammlung von meist unbekannten Riga-Texten, und Arne Mentzendorff die Fortsetzung der von ihm selbst verlegten „Baltischen Lebenswege“.
Als Grundlage für die weitere Diskussion waren bereits während des Treffens Fragebögen an die Teilnehmer verteilt worden, in denen diese gebeten wurden, 25 vorgegebene Aufgaben zukünftiger deutsch-baltischer Arbeit nach ihrer Relevanz zu benennen. Das Ergebnis der Top 5 zeigt, dass man nicht gewillt ist aufzugeben, sondern realistische und überschaubare Ziele hat:
1. Vermittlung von Kenntnissen über das Baltikum
2. Zusammenarbeit deutsch-baltischer Institutionen und Koordination der Aktivitäten
3. Sammlung von deutschbaltischem Kulturgut
4. Förderung des deutsch-baltischen Nachwuchses
5. Öffentlichkeitsarbeit für deutsch-baltische Aktivitäten und Finanzen der deutsch-baltischen Gemeinschaft
In der anschließenden Diskussion wurde noch einmal betont, wie wichtig – trotz separatistischer Neigungen – der Austausch zwischen den deutsch-baltischen Organisationen ist. Ein Win-Win-Modell könnte es sein, wenn Orts- und Bezirksgruppen stärker eingebunden werden könnten bei sozialen und kulturellen Projekten in den baltischen Ländern.